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Christian Diabl, die.fisch.die

Shkodra Calling

Anfang Oktober war ein Team von Radio FRO fünf Tage lang in der nordalbanischen Stadt Shkodra um beim Aufbau eines Freien Radios zu helfen. Für uns war es eine spannende Reise in ein weitgehend unbekanntes Land. Für Shkodra im Idealfall der Start in eine erfolgreiche Radiozukunft.
Text: Christian Diabl | Fotos: Christian Diabl, die.fisch.die

Wir haben eine tolle Woche in Albanien verbracht und möchten euch ein wenig daran teilhaben lassen. Der Anlass war ein Kooperationsprojekt im Rahmen des Erasmus+ Programms der EU. Radio FRO unterstützt das Jugendzentrum Arka in Shkodra beim Aufbau eines Freien Radios und unser Besuch war der erste Schritt zu einer hoffentlich langen Kooperation zwischen Linz und Shkodra. Wir machen das nicht nur, weil wir gerne mit der Radio-Idee hausieren gehen, sondern weil Albanien freie Medien nach Jahrzehnten stalinistischer Diktatur dringend braucht. Freie Radios sind unverzichtbar für eine demokratische Gesellschaft. Sie ermöglichen Teilhabe und Mitsprache, sind Raum für Experimente und alternative Sichtweisen. Sie sind Orte des Diskurses und der Gegenöffentlichkeit. Radio FRO lebt diese Idee seit nunmehr 18 Jahren und dazu gehört es auch, ihr in anderen Städten, Regionen und Ländern zum Durchbruch zu verhelfen. So hat  Radio FRO 2007 die Bevölkerungsgruppe der Tonga in Sinazongwe/Sambia tatkräftig bei der Gründung eines Freien Radios unterstützt, vor Ort ein Radiostudio samt Sendemast aufgebaut und Workshops organisiert. Auch bei der Gründung des Freien Radios in Freistadt 2005 und des Freien Radios B138 in Kirchdorf an der Krems 2007 waren wir maßgeblich beteiligt. Diese schöne Tradition konnten wir heuer mit dem Albanien-Projekt fortsetzen.

Ein Freies Radio für Shkodra

Zu verdanken haben wir das Projekt der ehemaligen FROzine-Redakteurin Maggie Brückner, die an der Österreichischen Schule in Shkodra unterrichtet und den Kontakt zu Radio FRO herstellte. Gemeinsam mit Veronika Moser hat sie das Projekt entwickelt. Projektpartner und Host des neuen Radios ist das Jugendzentrum Arka, das in Shkodra Treffpunkt von Jugendlichen zwischen 16 und 30 Jahren ist und als solches ein wichtiger Anker in einem Leben, das oft von patriarchalen Familienstrukturen und ökonomischer Perspektivenlosigkeit geprägt ist.

Hier kann man zusammenkommen und sich austauschen, sich informieren und diskutieren. Es gibt Konzerte, Ausstellungen, Filmabende und Lesungen. Eine Bar und ein Hostel machen das Arka zudem zur beliebten Anlaufstelle für Backpacker*innen und andere spannende Leute. Ein perfekter Ort für ein Freies Radio, wie wir meinen. Unsere Aufgabe war es, die Lage vor Ort zu sondieren, mögliche Konzepte für ein Community-Radio vorzustellen und zu erzählen, wie wir das bei Radio FRO machen. Außerdem haben wir Radioworkshops an der Österreichischen Schule durchgeführt und so versucht, Jugendliche für die Idee zu begeistern.

Die Ausgangslage ist gut, denn anders als in Sambia mangelt es im Arka nicht an den technischen Voraussetzungen. Was dem Arka – wie der jungen albanischen Demokratie – noch fehlt, ist eine funktionierende Zivilgesellschaft, die ein Community-Radio trägt, NGOs und Vereine, die Sendungen produzieren und Aktivist*innen, die das Medium als Sprachrohr für Diskussionen und Interventionen nutzen. Erschwerend hinzukommt, dass fast alle Jugendlichen das Land so schnell wie möglich verlassen und am liebsten in der EU leben und arbeiten wollen. Das Radio läuft demnach Gefahr, immer wieder seiner Protagonist*innen verlustig zu gehen. So gab es vor einem Jahr bereits ein Internetradio im Arka, das hauptsächlich Musik spielte, aber nach wenigen Wochen wieder eingestellt wurde, weil die Programmmacher*innen den Absprung ins Ausland schafften. Community-Building ist deshalb auch der Programmschwerpunkt, wenn Ende November der Gegenbesuch der Arka-Leute in Linz erfolgt. Wir drücken die Daumen, dass das Freie Radio in Shkodra nicht nur bald on Air geht, sondern es auch lange bleibt. Wie in Sambia, wo Zongwe FM noch heute sendet.

Christian Diabl ist Journalist, Politologe, Kultur- und Medienarbeiter und seit Oktober für die Kommunikation bei Radio FRO verantwortlich.

Zuletzt geändert am 14.12.16, 00:00 Uhr

Verfasst von Silke Müller

Ein Duett aus Radiofeature-Produktion und Illustrationsausstellung hat mein Kommunikationsdesign und Medienstudium abgeschlossen. Seit dem beschäftige ich mich mit der großen, künstlerischen Radioform "Feature", mit Reportagen und Interviews mit KünstlerInnen und Kulturschaffenden.

Ich bin freischaftende Illustratorin für Plakate - zum Beispiel für Radio FRO - Zeitungen, Magazine, Bücher und Ausstellungen. Radiohören geht beim Zeichnen wunderbar.

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