Kunst und Kultur
Die
Felsenreitschule fühlt sich an wie
ein schwarzes Loch, das einem, sofern man dort tagein, tagaus arbeitet,
die Lebensenergie aussaugt … to be honest,
es ist ein sinkendes Schiff.” So ungefähr beschrieb
der Hase seine gesammelten Eindrücke
als Kantineur im Festspielhaus, und zwar in unserer
jüngsten Nachtfahrt (das ganze Gespräch
ist hier ab 02:08:27 gut zu hören). Von
dieser Wahrnehmung ausgehend machen wir uns auf die Suche nach
den Ursachen für derlei im wahrsten Wortsinn
kraftraubende Gegebenheiten. Ist das Haus vielleicht
verhext? Sind wieder mal
die Nazis schuld? Welche
blutigen Rituale fanden dort statt?
Worin besteht das Menschenopfer, das wie unter einem Wiederholungszwang
alltäglich dargebracht wird – und
von dem niemand spricht?
Meine Tante war nazistisch und
meine Mutter war narzisstisch gestört – könnte darin womöglich eine Erklärung für
den in diesem schönen Salzburg und in seinem weltberühmten Festspielhaus konzentrierten Weltwahnsinn liegen? Ich meine den Eindruck des
aussaugenden Abgrunds, der den
totalitären Narzissmus prägt.
Die Weltmacht Wirtschaft funktionierte dann ebenso wie eine
narzisstische Persönlichkeit –
du musst um dein Leben
ihre Wünsche erfüllen bis du
ausgesaugt bist, während
sie sich auf deine Kosten
ihren schönen Schein poliert (hinter dem sie nichts anderes ist als
schlicht Nichts (und dieses Nichts saugt alles, was
nicht Nichts ist, in sich auf, um wenigstens
vorgeben zu können,
irgendwas zu sein). Und aus all der
von uns geraubten Lebenskraft bastelt sich
die narzisstische Weltherrschaft dann
ein scheinbar sauberes Image, das vorgibt,
bedeutsam und wichtig zu sein, geradezu
unverzichtbar für unser Wohlergehen.
Aber all das ist nichts als Lüge …
Jedermanns Totentanz
Im Schatten der Mozartkugel
ein schönes Bühnenbild vergangener Zutodequälung
versteinerte Herrlichkeit kunstsinniger Kirchenfürsten
Wir halten inne und atmen Salzburg
in aller Stille tief in unsere Seelenlungen ein
und fühlen dabei stets ein seltsames Befremden
in dieser Stadt, in deren Trubel Freiheit schon Ersticken ist und Luftholen zum Leben den Beigeschmack vermorschter Knochen birgt
*asthmatisches Röcheln*
Gleich füllt sich unser Sein mit Friedhof
und auf den Urnen der verbrannten Kinder tanzt Frau Moloch die bösen Fackelumzüge wieder für die dauernde Macht der Räuber, mit klapperndem Gebein ihre Eisenreifen, Ketten, Schlösser schwingend.
Mumifizierte Brüste hängen gummigleich von den Balkonen und spenden ledrig längst verdorrt den Dürstenden die Milch des Geldes: Stinkende Milch von früher, wir trinken dich morgens, wir trinken dich abends, wir trinken dich nachts, wir trinken und trinken, wir tanzen ein Loch in die Zukunft, wir tanzen und tanzen, der Tod ist ein Meister aus Salzburg, ihre Augen sind braun, sie spielt mit den Kunden und ruft:
„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und belabert seid, ich will euch begütern. Ich will euch das Gewissen erleichtern und euch die Vergangenheit ungeschehen machen. Ich will euch die Steuern abziehen wie eine zweite Haut und mir feuchtfröhlich einen Lampenschirm daraus basteln zur höheren Ehre Gottes und zur Freude des zahlenden Publikums. Und fürchtet euch nicht, es ist alles herzig und putzig hier – und überhaupt nur Theater, das man als solches erkennt. Denn denen, die da schon besitzen, wird auch noch alles andere gegeben werden, vor allem aber das, was genommen wird jenen, die sowieso nichts mehr haben. Und so wird über die Weltbühne kommen ein ewiges Friedensreich, in welchem Gerechtigkeit herrschet nach meiner Facon – nämlich dass alles so bleibt, wie es immer schon war. Und das ist dann ein Theater, wie wir es hier haben wollen. Amen.“
Das letzte Licht ist verlöscht. Kein Raunen geht durch die Menge. Regungslos sitzen die Festspielgäste auf ihren Polstersesseln. Sie sind in diesem einzigen, unendlich lang atmenden Augenblick endgültig ganz und gar zu Stein geronnen. Und niemand vermisst sie! Wenn in hundert Jahren ein neugieriger Mensch die Saaltüren öffnen wird und wenn der erste Sonnenstrahl mit einem Hauch frischer Luft ihre erstarrten Körper berührt, dann werden sie zu Staub zerfallen und sich in ihrem ewigen Nichts auflösen.
This is Capitalism …