Anliegen Hintergründe und Vorhaben der Konferenz

Die Radio FRO Konferenz im Rahmen des Ars Electronica Festivals 2007 in Linz hat den Titel "Goodbye FM/AM farewell analogue TV“ und lehnt sich damit nicht von ungefähr an den Titel des Festivals an.
So wie die "Privatheit" schwindet? - so ändert sich gerade die Rundfunklandschaft. Im TV Bereich schreitet die Digitalisierung der Übertragung rasch voran und auch im Hörfunk Bereich gibt es schon verschiedenste Erfahrungen, obwohl in diesem Bereich die Standards noch nicht absolut fixiert sind.

Zu den Ausgangspunkten gehört unter anderem eine Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates von Ende Jänner1 in der den Mitgliedsstaaten empfohlen wird freie – non kommerzielle RundfunkbetreiberInnen zu fördern, weil damit sowohl die Demokratie durch wachsende Vielfalt an Meinungen gefördert wird als auch den Tendenzen von Medienkonzentrationen entgegen gewirkt wird. Sie reflektiert die Menschen – und Freiheitsrechte nicht nur in einem individuellen, sondern auch in einem gesellschaftlichen Sinne. Diese elementaren Grundrechte, Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsbildung brauchen, wie hier klar dargestellt wird, eine breite Diversiät von Meinungen – einen Meinungspluralismus der ohne freien Zugang zu Informationen und wichtiger noch zu Medien undenkbar ist. Die Mediendiversität, die erst durch privaten Rundfunk und freie Medien geschaffen wurde, wird von Medienkonzentrationen, in Folge der Marktlogiken, zunehmend bedroht und gerade von freien, non-kommerziellen und regionalen Medien sowohl gefordert als auch gefördert.2

Der zweite Hintergrund ist die Digitalisierung des Rundfunks, die europaweit, besonders im Bereich digitalen Fernsehens, schnell voranschreitet. Auch dabei spielen europäische Institutionen und Organisationen führende Rollen: DAB (Digital Audio Broadcasting) ist nichts anderes als der bekanntere Name des EUREKA – Forschungsprojektes, E! 1473 und ist ein industrieller Standard, der im Rahmen dieses Projektes erarbeitet worden ist und DVB ist mit allen Unterteilungen, je nach Übertragungsmethode, auch das Ergebnis eines Firmenkonglomerats aus 250 – 300 Firmen, ursprünglich nur europäische Firmen, heute weltweit verankert, das gemeinsam einen Standard entwickelt hat4. DVB basiert ebenso wie DAB auf den gleichen Codecs, die ebenfalls aus EUREKA Zusammenarbeit im Rahmen von DAB stammen. EUREKA verwendet öffentliche Mittel, also Steuergelder, um Rahmenbedingungen für die Forschung zu schaffen. Das aber führt zur Frage, wer bestimmt politisch wohin Technologien entwickelt werden, was sie können bzw. bieten sollen. Und weiter zur Frage, warum wird nicht breit gesellschaftlich diskutiert und entschieden?

Es geht darum, Technologien weder zu geisseln noch sie zu „hypen“, sondern kritisch und „realistisch“ darüber zu beraten, wie, was getan werden kann und soll, damit die propagierten Vorteile dieser neuen Technologien nicht Propaganda bleiben, sondern, weil eingemahnt gefordert und gefördert, auch Teil einer nahen Zukunft werden. Wichtig ist auch zu betonen, dass die Digitalisierung des Rundfunks hier die Digitalisierung der Übertragung meint, die Produktion ist längst digitalisiert. Für die digitale Übertragung und die zugehörigen Codecs, gibt es aber mittlerweile verschiedene Technologien und Formate und DAB oder E! 147 ist nur eine davon und wichtiger noch, die verschiedenen Formate bieten zum Teil verschiedene Möglichkeiten. Manche Formate versprechen interaktive Möglichkeiten, so etwa DVB-C (MHP)5 andere wie DAB oder DMB werben in erster Linie mit verbesserter Signal – Ton- und Bildqualität.

Wie derzeit die Digitalisierung des TV Bereichs vorangetrieben wird, wird auch die Digitalisierung des Hörfunks vorangetrieben, wenn auch nicht so konsequent wie im TV Bereich. Im TV Bereich ist seitens der EU Kommission geplant, dass bis 2012 die analogen Sendefrequenzen abgeschaltet werden, Österreich hat sich dazu verpflichtet bis 2010 den analogen TV-Rundfunk abzuschalten6.

Wie sieht das im Bereich des Digitalen Hörfunks aus? – Das wird eine der Fragen sein, die Panel B sich stellen wird.

Ohne dass heute klar ist welches Format sich durchsetzen wird7, ist trotzdem klar, dass neue Technologien mit Mehrkosten verbunden sein werden und zwar sowohl mit Strukturkosten, als auch mit neuen Kosten für neue Services ,wie etwa Multiplexing. Das alles ist völlig unabhängig davon, welches System sich durchsetzen wird und ebenso unabhängig davon ist, dass der freie non-kommerzielle Rundfunk vor den negativen Aspekten der Digitalisierung geschützt werden muss, und dass deshalb Vorkehrungen in diesem Sinne getroffen werden müssen.

Derzeit zeichnet sich ab, dass auch digitaler terrestrischer Rundfunk wohl eine Einwegkommunikation darstellen wird und daraus folgt, dass speziell im Sinne der Freien Radios nur noch entweder, die Mehrkanaligkeit (DAB/DMB), oder DVB-H (Interaktivität) interessant sind. Die Mehrkanaligkeit, die DAB anbietet, wäre speziell für Radios interessant, die mehrsprachige Programme anbieten wollen, die Hürde dabei stellen aber die teuren Empfangsgeräte dar und die Tatsache, dass Mehrkanaligkeit in erster Linie zur Reproduktion von Sourround-Sound Formaten, bekannt aus dem Kino und Homekinobereich, dienen und an diese Standards angepasst sind. DVB-H hingegen ist da schon eher interessant, weil auf diesem Wege Handys, die, verbreitet schon jetzt terrestrisch Radio empfangen können, meist internetfähig sind und somit Streaming Radio empfangen können, oft UMTS nutzen und daher UMTS-Radio empfangen können und in Zukunft DVB-H fähig sein werden und damit auch Radios, die DVB-H als Träger nutzen, empfangen können. In einem solchen Szenario wird das Handy zu einem universellen Medien – Empfangsgerät und ist somit ein Beispiel für die Konvergenz der Medien und der Technologien.8 Wie bei der Informationsveranstaltung der RTR, am 23.3. in Linz, zu hören war, ist die Digitalisierung des Hörfunks auch in Österreich zum Einen bereits vorbereitet aber zum Anderen kaum wo in der EU vorangetrieben wird, weil der Markt fehlt.

Das heißt, dass es in Mitteleuropa so aussieht, als ob DAB9 sich als digitales Hörfunkformat durchgesetzt hat, obwohl es unter den verschiedenen heute zur Verfügung stehenden Standards der älteste ist und mit schon veralteten Kompressionsmethoden und Codecs arbeitet.10

So scheint nun nicht unbedingt akuter oder gar überstürzter Handlungsbedarf gegeben zu sein, zumal, wie schon erwähnt, die RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH11), und die „Digitale Plattform Austria12“ festhalten, dass die Standards für digitalen Hörfunk noch nicht beschlossen sind. Genau das ist die Chance, sich rechtzeitig zu positionieren und sich vor allem in die Gestaltung der zukünftigen digitalen Hörfunkformate einzubringen.

Wichtig ist aber auch, zu sehen, dass EUREKA13 als EU Projekt und Programm die Wettbewerbsfähigkeit der EU als Ganzes und ihrer Mitgliedsstaaten zum Ziel hat und in diesem Sinne Technologieförderung darstellt, die nicht Demokratie zum Ziel hat. Ziel ist vielmehr Vernetzung von Firmen und Konsortien mit Forschungseinrichtungen und somit eine koordinierte Forschungs und Entwicklungsarbeit im IKT Bereich und das im Sinne des internationalen Wettbewerbs. Auch wenn EUREKA zivil organisiert ist, so zeigt sich, dass die Ziele nicht breit gesellschaftlich erarbeitet wurden, sondern von der EU Kommission vorgegeben werden.

Im Sinne des freien Rundfunks und freier Medien aber ist die Entscheidung über den Markt nicht der passende Ansatz, denn wie auch der Europarat und unzählige SozialwissenschafterInnen und Medien-und KommunikationsexpertInnen immer wieder betonen, beruht die Konzeption einer jeden Demokratie darauf, dass die Menschen und BürgerInnen Zugang zu Informationen haben um sich Meinungen bilden zu können und auch Zugang zu Medien haben, damit sie ihre aus Informationen gebildeten Meinungen in den gesellschaftlichen öffentlichen Diskurs einbringen können. Der Markt hingegen, soweit er überhaupt als freier Markt vorhanden ist14, schafft keine öffentlichen Diskurse, bestenfalls definieren sich auf ihm Preise nach Angebot und Nachfrage, schlechteren Falls verbreitet er mit seiner inneren Logik der instrumentalen Vernunft soziale Techniken, die Diskurse eher verhindern als fördern.

In diesem Sinne werden sich beide Panele, A und B und die dazugehörigen, vorbereitenden Workshops auf verschiedenen Wegen den selben Themenkomplexen nähern. Da es sich um eine Radiokonferenz handelt, werden die zentralen Fragen darum kreisen, wie freier, nicht-kommerzieller Rundfunk als Teil der freien Medien, den unbestritten wichtigen – mittlerweile selbst vom Europarat gewürdigten und betonten – Beitrag zur Weiterentwicklung der Demokratie auch weiterhin leisten können. Dabei wird es darum gehen, welche Chancen und Gefahren von zukünftigen, aber nicht fernen, Veränderungen der Medienlandschaft – in Folge von Veränderungen im technischen Bereich – ausgehen und welche Maßnahmen notwendig sind um eine Verbesserung der Situation des freien, non kommerziellen Rundfunks und der freien Medien oder zumindest die Sicherstellung der derzeitigen Situation garantieren zu können. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, wie der „offene Zugang“, eines der zentralen Elemente der freien Medien und des freien Rundfunks, weiter gewährleistet bzw. sogar verbessert werden kann.

Das wiederum impliziert, dass sowohl die Finanzierung, als auch die rechtliche Verankerung des freien Rundfunks im Sinne der Stärkung der Demokratie und als Gegenbewegung zur Medienkonzentration, absolute Priorität haben.

Freier Zugang ist aber nur dann gegeben, wenn der Zugang passiv und aktiv frei und niederschwellig ist. Der freie Rundfunk bietet genau diesen niederschwelligen und offenen Zugang und darüber hinaus ist die Ausweitung der Partizipationsmöglichkeiten ein zentrales Anliegen der freien Medien und des freien Rundfunks.

Der Hinweis des Europarates auf die Tatsache, dass „Mainstream-Medien“ „Randgruppen“ und insbesondere in den Augen der Finanzierenden (WerbekundInnen / BesitzerInnen etc.) „unwichtige“ Gruppen nicht berücksichtigen und somit ausschließen, ist nun zwar nicht neu oder originell, aber umso wichtiger, denn der permanente und konsequente Ausschluss gesellschaftlicher Gruppen führt sicher nicht zu einer gesellschaftlichen Bereicherung, sondern dazu, dass die Demokratie als Konzept geschädigt und diskreditiert wird, wenn diese Prozesse in demokratischen Gesellschaften über den freien Markt „organisiert“ werden, bzw. passieren. Darüber hinaus, decken sich die Empfehlungen des Europarates mit den Forderungen des Verbands der freien Radios in Österreich, VFRÖ, und dessen Positionen sollen im Rahmen der ganzen Konferenz transportiert und kommuniziert werden.

In diesem Sinne soll die Diskussion im Rahmen der Radio – FRO – Konferenz, ähnlich wie in den letzten Jahren, nahe an den neuen technischen Entwicklungen und Standards im Bereich elektronischer Medien und speziell digitalen Rundfunks (Hörfunks) vor dem oben skizzierten Hintergrund geführt werden.

1https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1089615&BackColorInternet=DBDCF2&BackColorIntranet=FDC864&BackColorLogged=FDC864

2In diesem Sinne sind auch drei weitere Dokumente des Europarates von Bedeutung: Die Empfehlung „CM/Rec(2007)2“ die darin zitierte Empfehlung „Rec(2003)9“ und der Report der Medien Division des „Directorate General of Human Rights“ über Transnationale Medien Konzentrationen in Europa, „AP-MD (2004)7 – alle diese Dokumente können von der Website des Europarates bezogen werden. In diesen drei Papieren wird immer wieder darauf hingewiesen, dass speziell die aktive Medienpartizipation von besonderer Bedeutung für Demokratie und Meinungspluralismus ist und betont, dass der aktive, schaffende Zugang zu Medien vor dem Hintergrund zunehmender Medien-Konzentrationen immer wichtiger wird um dieser Entwicklung entgegen zu steuern.

3Vgl dazu Hans J. Kleinsteuber, „Die Zukunft des Radios“, in „Relating Radio“ – Beiträge zur Zukunft des Radios, S. 94 ff

4http://www.dvb.org/about_dvb/history/index.xml

5DVB-C ist Digital Video Braodasting (DVB) via Kabel ©; MHP bedeutet Multimedia Home Plattform und dient der Übertragung und Darstellung interaktiver Inhalte. Echte Interaktivität wird aber nur mit Kabel (DVB-C – MHP), und via GPRS oder UMTS möglich, also DVB-H MHP möglich.

6Wie auf dieser Informationsveranstaltung zu erfahren war, stammt die Notwendigkeit der Stufenweisen Abschaltung daher, dass die Übergangsphasen mit parallelem digital/analog Betrieb zu einer Frequenzknappheit führen die speziell in zwischenstaatlichen Grenzbereichen zu Problemen führen (Einstreungen in andere Sendesignale).

7ob DVB (Digital Video Broadcasting mit allen Unterformen), DAB (Digital Audio Broadcasting, DMB (Digital Multimedia Broadcasting wird derzeit vor allem in Südostasien betrieben und wird über Handys empfangen) oder DRM (Digital Radio Mondiale – digitales Mittelwellen Radio), oder andere Formate,

8Vergleiche dazu: Oliver Hauf, „Die Informationsgesellschaft Anatomie einer Lebenslüge“, Peter Lang Verlag Frankfurt a, Main 1996, S. 84Ff, S. 34-45; siehe auch: Joan Kristin Bleicher, „Die Rolle der Medien in der Wissensgesellschaft“ in Knut Bleicher, Jürgen Berthel, „Auf dem Weg in die Wissemdgesellschaft“, Frankfurter Allgemeine Buch, S. 204-217, im Speziellen: S. 214F – Unter Konvergenz bzw. Verschmelzung oder „Aufeinander Zuströmen“ von Technologien und Medien wird hier verstanden, dass technologische Entwicklungen dazu geführt haben, dass Medien auf verschiedenen Wegen transportiert werden können, dass deshalb die Medien selbst sich vermischen und auch, dass die Technologien selbst ineinander verschmelzen. Zur Medienveränderung passen dabei die Stichworte Push-Medien und Pull-Medien.

9DAB ist ein Format, das im Rahmen eines EU – EUREKA Projektes seit Beginn der 1980er Jahre entwickelt worden ist und ist auch unter dem Titel E! 147 bekannt. Siehe auch: http://www.eureka.be/inaction/AcShowProject.do?id=147

10DAB ist auch seitens der EBU schon als Standard akzeptiert

11http://www.rtr.at/

12http://www.rtr.at/web.nsf/deutsch/Rundfunk_Digitale+Plattform+Austria?OpenDocument

13http://de.wikipedia.org/wiki/EUREKA

14Vgl Noam Chomsky, in Noam Chomsky / Heinz Dieterich, „Globalisierung im Cyberspace“, S. 41f und S. 25ff

Zuletzt geändert am 25.08.07, 00:00 Uhr

Verfasst von Michael Schweiger

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