Moderatorinnen Lena Pöschko und Sofia Jüngling mit Filmemacherin Parisa Ghasemi
Jakob Mak (cc)
Zu hören am Fr 07. Nov 2025 / 17 Uhr
Kultur & Bildung spezial

Cinema Next Tour & Bravö Hits’25 in Linz

Wer sind die Nachwuchstalente der österreichischen Filmwelt?

Radio FRO war am Montag, dem 3. November 2025, im Publikum der Cinema Next Tour’25 in Linz. Cinema Next ist eine Initiative die Nachwuchsfilmemacher*innen in Österreich eine Plattform bietet. Dabei wurden viele Kurzfilme von jungen Filmtalenten gezeigt. Im Anschluss wurden im Rahmen der Bravö Hits Musikvideoschau die Highlights der österreichischen Musikvideos präsentiert. Dazwischen gab es Q&A Sessions mit den anwesenden Artists und Filmemacher*innen, moderiert von Sofia Jüngling und Lena Pöschko. Schauplatz war das Moviemento Programmkino in Linz.

Im Vorab kam es noch zum Interview mit Elli Leeb. Elli Leeb ist selbst Filmemacherin und bildet zusammen mit ihrer Kollegin Zoe Borzi die Projektleitung von Cinema Next. Im Interview spricht sie über die Ziele von Cinema Next, Kurzfilme und die Filmbranche in Österreich.

Das Screening der diesjährigen Cinema Next Tour in Linz beginnt mit dem Kurzfilm „Die Suche nach dem Haus meines Vaters“. Filmemacher Jan Reisecker ist mit Luca Mathies durch Wels gefahren um nach dem Haus seines leiblichen Vaters zu suchen, den er nie richtig gekannt hat. Diese Suche haben die zwei verfilmt. Der Film besteht nahezu ausschließlich aus statischen Perspektiven. Viele davon zeigen verschiedene Vorstadthäuser. Ziel war es, den Eindruck zu erzeugen, dass im Grunde jedes Haus auf dem die Kamera verharrt, das von Jans Vater sein hätte können, meint Luca Mathies. Die beiden Filmemacher betonen außerdem die erfolgreiche Zusammenarbeit.

Die Regisseurin, Drehbuchautorin und Künstlerin Sophie Bösker hat sich auf eine humorvolle Art und Weise mit der Beziehung zu einem Elternteil auseinandergesetzt: im Kurzfilm/Musikvideo „Meine Mama mag meine Kunst nicht“ tanzt sie in bunten Kostümen durch kleine Szenenbilder, gemeinsam mit Huhn, Hase und Kind.

Auch im Kurzfilm „Mein bester Geburtstag“ von Parisa Ghasemi geht es um Generationenkonflikte. Die Kunststudentin Mila wird an ihrem Geburtstag unerwartet von ihrer Mutter besucht, zu der sie ein schwieriges Verhältnis hat. Diese plant, das Haus in dem Mila wohnt und arbeitet, zu verkaufen. Milas Reaktion auf das Vorhaben steht dabei im Vordergrund: der Bildausschnitt umrandet das Gesicht der Protagonistin aus fast klaustrophobischer Nähe. Parisa Ghasemi wollte damit die innere Gefühlswelt der Figur hervorheben. „Mein bester Geburtstag“ von Parisa Ghasemi wurde von der Jury zum Lieblingsfilm des Abends auserkoren.

Wie in „Mein bester Geburtstag“ geht es auch in der Kurzdokumentation „Block E, No. 5“ von Çağla Gillis um Familie und den Verlust von Wohnraum. Der Film kontrastiert die sterile Einsamkeit des Lebens im Studentenwohnheim mit Archivmaterial das ein verlorenes Idyll familiärer Gemeinsamkeit in Istanbul zeigt. Auch die gegenwärtige Unsicherheit rund um das Elternhaus wird angesprochen. Die Mieten steigen und das einstige Zuhause ist eine seit Jahren unvollendete Baustelle. Diese Themen, so Gillis, würden immer und immer wieder in den Gesprächen mit ihren Eltern aufkommen.

Von den Fallstricken unserer materiellen Existenz ging es zur Konzeption eines ganz und gar immateriellen Form des Daseins im Kurzfilm „Die Noonautinnen“. Der Titel nimmt wohl Bezug auf die philosophische Idee der Noosphäre, einer Art nahtlosen kollektiven menschlichen Bewusstseins. Im Film wird es als eine Dimension abseits der Sinne verbildlicht, in welche die titelgebenden Figuren hineintauchen. Die Eindrücke ihrer Reise in diese Welt stellt die Protagonistin als Kohlezeichnungen dar, welche in Standbildern eingespielt werden. Zur Erzähltechnik des Films meint Regisseur Lorenz Tröbinger, Ziel wäre es gewesen, einen neuen Zugang zur allseits bekannten Regel „show, don’t tell“ zu finden. Simone Hart, die die Kameraarbeit gemacht hat, sprach zusätzlich über die Entscheidung analog zu filmen.

Analog gefilmt haben auch Matilde Laires und Franzisca Friedrich für ein Musikvideo mit Artist Victoria West, die auch anwesend war. Das Musikvideo zu Victoria West’s Cover von Blondie’s Welthit „Call me“ zeigt die extravagant gekleidete Künstlerin in einer Badewanne voller Granatäpfel in einem Feld, passend zum Albumtitel „Pomegranate Odyssey“. Eine besondere Herausforderung für die Dreharbeiten war die Hitze, da die Filmkassetten sehr temperaturempfindlich sind.

Den Preis für das beste Musikvideo ging an Elias Illig, für seine Arbeit zum Video zu dem Song „Freitag“, von Anda Morts, in dem mit Augenzwinkern eine Lebensrealität abseits von Routinen zelebriert wird. Das Video wurde an einem Tag gedreht und besteht aus unzähligen Shots, die eine ereignisreiche Autofahrt quer durch Linz zeigen. Für die Dreharbeiten wurde auch eine Abschleppfirma engagiert, wie Regisseur Elias Illig und Production Manager Jan Feier beschreiben.

Im essayistischen Kurzfilm „Dirty Care“ von Isa Schieche, die leider nicht anwesend war, werden dem Publikum Kampfkunsttechniken beigebracht. Die Perspektiven von Personen, die nicht in traditionelle Geschlechternormen passen, stehen im Vordergrund. Dementsprechend ist ein großer Teil von „Dirty Care“ aus der Ich-Perspektive gefilmt. Die Hauptfiguren sind in geschnitzte Holzmasken gekleidet, die die Verformbarkeit des menschlichen Körpers ausdrücken zu scheinen.

Ein weitere Kurzfilm, der sich an dem Abend besonders abhebt, ist „Trulla“, von Hannah Kortus. „Trulla“ ist ein Porträt von Gertrude Obpacher, einer Frau, die in den Fünfzigerjahren unerwartet zur Leiterin eines deutschen Betonwerks wird. Der Film kombiniert Archivmaterial, neue Aufnahmen, Voiceover und Animation und erzählt mit viel Humor, aber auch ein wenig Gesellschaftskritik, wie sich Trulla in einer männerdominierten Welt zurechtfindet. Alle Texte, die im Kurzfilm vorgelesen werden, entstammen dem schriftlichen Nachlass von Gertrude Obpacher und wurden von ihr selbst geschrieben. Aufgrund von Zeitmangel kam Hannah Kortus im Q&A nur sehr kurz zu Wort. Radio FRO hat sie deshalb nach der Show nochmal zum Interview gebeten.

Die nächsten Stopps der Cinema Next Tour’25 finden am 6. November im Cinema Paradiso in St. Pölten und am 12. November im Cinematograph in Innsbruck statt.

Zuletzt geändert am 07.11.25, 13:34 Uhr

Zu hören am Fr 07. Nov 2025 / 17 Uhr

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