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Kritische Gedanken zu einer guten Idee
Zweck und Ziel einer Medienbehörde

Von Paul Murschetz (Medienwissenschaftler bei public voice lab, Wien)

Das Regierungsprogramm der schwarz-blauen Koalition sieht vor, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die lang ersehnte Entwicklung eines fairen und transparenten Wettbewerbes im Fernsehsektor zu schaffen. Dieser neue
Liberalisierungselan beruht vor allem auf der Hoffnung, eine zentrale, beim Bundeskanzleramt einzurichtende Institution für Telekommunikation, Informationstechnologie und Medien, vulgo Medienbehörde, würde dafür entscheidende Impulse liefern.

"Sendepause - Medien und Medienpolitik in Österreich": So heißt das umfassende Nachschlagewerk der beiden public journalists Harald Fidler und Andreas Merkle. Darin zeigen sie, woran echte Liberalisierung der Medienlandschaft, insbesondere des elektronischen Sektors in Österreich in den letzten Jahren gescheitert ist. In altehrwürdiger Tradition des Proporz- und Sozialpartnerschaftsstaates führten Verflechtungen von Medien und Politik zu elementarer Stagnation in der medienkulturellen Entwicklung des Landes.

Liberalisierungsimpulse

Obwohl sich Europa längst für eine offene und pluralistische Fernsehlandschaft entschieden und daher terrestrisches Privatfernsehen zugelassen hat, wartet man in Österreich jedenfalls weiter auf das Glück vom gestrigen Tag.
Nach dem Vorbild des Schweizer Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) soll die Medienbehörde alle Zuständigkeiten unter einem Dach zusammenfassen, die derzeit auf etliche Behörden und behördenähnliche Einrichtungen verstreut sind: Telekom Control für Telefonie, die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes für den ORF, das Frequenzbüro für Frequenzplanung und Lizenzvergabe sowie die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde für Privatradio und Kabel- und Satellitenfernsehen. Weitgehend unklar ist noch, mit welchem ordnungspolitischen Pouvoir dieser neue watchdog ausgestattet wird.

Re-Regulierungsabsichten

Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, den zugegebenermaßen schwierigen Balanceakt zwischen der effektiven Öffnung des Rundfunkmarktes auf der einen Seite und der Wahrung und gezielten Förderung des Zuseherinteresses auf der anderen Seite vor dem Hintergrund rapider technologischer Veränderungen zu bewältigen.
Dass dafür der Gesetzgeber einen Branchenwachhund einsetzen will, der nicht auf bloße Rechtsaufsicht, sondern auf aktive Mitgestaltung abzielt und dabei politisch möglichst unabhängig agieren soll, ist in der gegenwärtigen politischen Situation besonders brisant. Nicht wenige fürchten um ihre publizistische wie wirtschaftliche Bewegungsfreiheit. Die schwarz-blaue Koalition plant weitreichende staatliche Eingriffe, die es der Medienbehörde ermöglichen sollen, den ORF zu überwachen und bei Fehlverhalten abzumahnen. Zudem sollen echte Strukturreformen des Rundfunksektors durchgeführt werden.

Wo wird eingegriffen? 

Mag in der Vergangenheit toleriert worden sein, dass staatliche Rundfunkpolitik zu marktmissbrauchendem Verhalten des nationalen Champions ORF schwieg, scheint man jetzt wenigstens dort grundsätzlichen Regulierungsbedarf erkannt zu haben, wo der ORF mit dem Geld der Gebührenzahler in Bereiche vordringt, die über den öffentlich-rechtlichen Auftrag hinausgehen. Dies beträfe zum Beispiel sein ungehindertes Eindringen in rein kommerzielle "neue Geschäftsfelder" wie TV-Merchandising, die einer gesetzlichen Grundlage entbehren. Die Stoßrichtung dieses Regierungsvorhaben ist generell wünschenswert, obwohl man derzeit nur erahnen kann, in welchen Bereichen strukturelle Änderungen ansetzen werden, die den ORF einschränken sollen.
So kursieren etwa Gerüchte zur Festlegung der ORF-Gebühren, zur Neuvergabe von langjährige ORF-Sendelizenzen, zur Reduktion von ORF-Werbezeiten, zur Ermöglichung eines chancengleichen Zugangs zu Verbreitungstechnologien für Mitbewerber oder zur Übernahme des vom ORF betriebenen Radio- und Teletests durch die Medienbehörde.
Erster demokratiepolitischer Prüfstein dieser Bemühungen um Rundfunkregulierung wird die geplante Einführung von noch zu fixierenden Marktanteilsobergrenzen sein, welche es der "Kronen Zeitung" unmöglich machen würde, auch noch Marktdominanz im Fernsehen zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist es außerdem notwendig,
sektorenübergreifende Beteiligungen des ORF zu prüfen und gegebenenfalls einzuschränken; der ORF hielt
beispielsweise 49% der Anteile am marktführenden kommerziellen Internet-Provider A-Online. Obwohl sich der
ORF zuletzt auf 2,5% der Anteile zurückzog und den Rest der PTA überließ, wurde bereits die Gründung einer gemeinsamen Internet-Plattform mit heimischen Zeitungsverlagen beschlossen.

Medienentwicklungsanstalt

Man darf gespannt sein, ob es dem Gesetzgeber gelingt, die Einführung von nationalem Privatfernsehen per Hausantenne, die unmittelbar mit der Reform des ORF verknüpft ist, durch die Schaffung einer starken und politisch unabhängigen Medienbehörde zu beschleunigen. Die Medienbehörde soll den aktiven Moderator zwischen Medien und Regierung spielen. Wichtig ist, ihr umfassende inhaltliche wie technische Kompetenzen zu übertragen, damit auf Basisgesetzlicher Vorgaben echte Rundfunkfreiheit als unverzichtbarer und unteilbarer Bestandteil der demokratischen Meinungs- und Willensbildung möglich wird.

Dem Prinzip der gesellschaftlichen Repräsentanz folgend, kann sich Medienvielfalt hierzulande nur etablieren, wenn fairer Wettbewerb um Inhalte und technische Innovationen gewährleistet ist, der auch dem Konsumenten einen qualitativen Mehrwert bringt.
Zur Wahrung inhaltlicher Vielfalt bedarf es jedenfalls eines öffentlichen Forums regelmäßiger programmatischer Debatten, einer Konsumentenvereinigung in Programmfragen, die von der Medienbehörde vertreten werden sollte.

Erschienen am: 26.06.2000