FREE SPEECH CAMP

Free Speech Camp Speakers Schedule Contact Sitemap

Zusammenfassung der Diskussion "no media - no war in yugoslavia?" (Dauer: ca. 2 Stunden)
von Gerald Oberansmayr


Friedenswerkstatt Linz/free speech camp/Ars Electronica Festival 2000-09-06

General aD Loquai bekräftigt bei Veranstaltung der Friedenswerkstatt Linz Vor dem NATO-Angriff auf Jugoslawien lag keine „humanitäre Katastrophe“ vor, die einen Krieg rechtfertigte

· Die NATO hat erst durch ihren Krieg gegen Jugoslawien zwei tatsächliche humanitäre Katastrophen geschaffen · Es droht NATO-Stationierung im Kosovo für 40 Jahre, die pro Jahr 105 Milliarden Schilling kostet

Friedenswerkstatt Linz: der neutralitäts- und völkerrechtswidrige Kriegsführungs-Artikel 23f muss raus aus der österreichischen Verfassung

Beim gestern am 5. 9. von Friedenswerkstatt Linz und Radio FRO gemeinsam veranstalteten Tag „Medien und Krieg“ im Rahmen der Ars Electronica 2000 präsentierte Brigadegeneral aD HEINZ LOQUAI sein Buch „Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg“. Heinz Loquai war bis zum Juli 2000 Militärberater bei der OSZE in Wien, zuständig für das Kosovo. Aufgrund seiner öffentlichen Kritik am deutschen Verteidigungsminister wegen des Jugoslawienkrieges wurde von Scharping sein OSZE-Vertrag nicht weiterverlängert. Bei seinem Vortrag bekräftigte Heinz Loquai: „Eine humanitäre Katastrophe, die einen Krieg rechtfertigte, lag im März 1999 keineswegs vor.“ Er begründet das mit Berichten des deutschen Auswärtigen Amtes, der OSZE und des UNHCR aus der Zeit unmittelbar vor Kriegsbeginn. Aus diesen Berichten geht hervor,

· dass keine Massenflucht in die Wälder zu beobachten sei · dass relativ gesehen zum Anteil an der Wohnbevölkerung mehr Serben als Albaner auf der Flücht seien · dass keine Anzeichen für eine koordinierte Großoffensive der jugoslawischen Armee vorliegen. Aus den Berichten der OSZE-Mission im Kosovo geht hervor, dass im Februar 1999 41 Menschen und im März. 39 Menschen zu Tode kamen – Albaner, Serben, Roma und Vertreter anderer Minderheiten. Loquai: „Jeder Toter ist eine individuelle humanitäre Katastrophe, aber angesichts dieser Zahlen von Völkermord zu reden, wie dies von Seiten der NATO zur Begründung der Bombardements getan wurde, ist absurd.“

Dort wo OSZE-Verifikateure vor Ort waren, ist es zu einer spürbaren Beruhigung der Situation gekommen. Allerdings ging die Stationierung der OSZE nur äußerst schleppend vor sich und erreichte zu keinem Zeitpunkt die angepeilte Zahl von 2.000. Durch die NATO-Angriffe selbst seien dann jedoch tatsächlich zwei humanitäre Katastrophen ausgelöst worden: zuerst während des Krieges die Vertreibung von 700.000 Kosovo-Albanern und nach dem Krieg die Vertreibung von 200.000 Serben. Loquai: „Der Krieg hat alles nur schlimmer gemacht. Der Hass zwischen den Menschen wurde dadurch unvorstellbar angeheizt.“ Loquai befürchtet nun, dass die NATO 40 Jahre im Kosovo bleiben werden. Kosten: rund 105 Milliarden Schilling pro Jahr.

Loquai plädiert für eine Korrektur der einseitig antiserbischen Sichtweise im Westen. So sehr die serbische Politik und die Unverhältnismäßigkeit ihrer militärischen Einsätze kritisiert werden muss, so sehr muss auch gesehen werden, dass die bewaffneten Kosovo-Albaner, die UCK, immer wieder provoziert habe. Loquai: „Die UCK wollte keinen Frieden, denn das hätte die Unabhängigkeit des Kosovo auf die lange Bank geschoben. Die UCK wollte das militärische Eingreifen der NATO.“ So habe sich die jugoslawisch-serbische Seite zunächst an das im Oktober 1998 zwischen Milosevic und Holbrooke verhandelte Waffenstillstandsabkommen gehalten, während die UCK die bewaffneten Kämpfe fortsetzte. „Dadurch wurde eine große Chance auf eine friedliche Lösung verspielt,“ so Loquai.

Die Friedenswerkstatt Linz sieht sich in ihrer Kriegsgegnerschaft bestätigt. Die ganze Menschenrechtsrethorik zur Begründung dieses Krieges fällt in sich zusammen. Dieser Krieg wurde nicht für Menschenrechte geführt, sondern für die Großmachtsinteressen von USA und EU. Die neue offensive NATO-Doktrin und die Aufstellung einer EU-Interventionstruppe bis 2003 zeigen, dass die großen Blöcke wieder verstärkt auf Krieg als Mittel der Politik orientieren.

Einzigartig in der EU: Bereitschaft zum Bruch vom Völkerrecht in der Verfassung - Kriegsführungsartikel 23f muss aus der österreichischen Verfassung raus!

In Zukunft möchte scheinbar auch Österreich bei diesen Kriegen dabei sein. Zeitgleich mit dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien ist die Novellierung des Artikel 23f BVG in Kraft getreten. Dieser besagt nichts geringeres, als dass in Hinkunft Bundeskanzler und Außenminister in den Gremien der EU darüber entscheiden, ob sich Österreich an Kriegen der EU beteiligen wird – weltweit, auch ohne UNO-Mandat. Die Friedenswerkstatt: „Der Kerngehalt der Neutralität ist die Verpflichtung des Neutralen zur Nicht-Teilnahme an Kriegen. Mit dem Artikel 23f ist dieser Kerngehalt eliminiert. In den Erläuterungen zum Artikel 23f ist explizit angeführt, dass Österreich zur Teilnahme an Kriegen bereit ist, auch wenn diese nicht UN-mandatiert sind. In Österreichs Verfassung ist damit die Bereitschaft zum Bruch des Völkerrechts niedergeschrieben. Das ist sogar innerhalb der EU einzigartig.“ Die Friedenswerkstatt Linz fordert daher, dass der neutralitäts- und völkerrechtswidrige Artikel 23f sofort wieder aus der Verfassung heraus muss. Statt bei der EU-Militärunion mitzumarschieren, soll Österreich zu einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik zurückkehren, die glaubhaft zwischen Konfliktparteien vermittelt, sich für die Entmilitarisierung der internationalen Beziehungen und Konfliktvorbeugung einsetzt.