Das „ChancenUNgleichheitsgesetz“

Kommentar von Gunther Trübswasser //
Als am 6. Dezember 2007 im Landtag das Oö. Chancengleichheitsgesetz (Oö.ChG), das die Hilfe für Menschen mit Behinderungen neu regeln sollte, einstimmig beschlossen wurde, war es seitens der Betroffenen von hohen Erwartungen begleitet.

Einerseits war das alte Gesetz über die „Behindertenhilfe“ aus dem Jahr 1991 „in die Jahre“ gekommen, andererseits setzte das Oö.ChG in der Behindertenpolitik des Landes neue Maßstäbe.

Erstmals wurden als Ziele „soziale Teilhabe“, „Chancengleichheit“ und ein „selbstbestimmtes Leben“ festgeschrieben. Für „bedarfsgerechtes Wohnen“ und „persönliche Assistenz“ wurde sogar ein Rechtsanspruch in Aussicht gestellt. Es waren einige jener Forderungen, die die Betroffenen und die Selbstbestimmt Leben-Bewegung seit langem schon gefordert hatten.

Als im Oktober 2008 auch der Nationalrat die „UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen“ ratifizierte, schien überhaupt ein neues Zeitalter angebrochen zu sein. Menschen mit Behinderungen sollten endlich aus dem Eck der Hilfsbedürftigkeit und der Almosen gerückt werden und fortan ihre Würde und die gleichen Rechte in Anspruch nehmen können, so wie es die Allgemeine Menschenrechtserklärung von 1948 festschreibt. „Inklusion“, „Partizipation“ und „Chancengleichheit“ wurden beinahe zu Zauberworten.

Inzwischen sind sechs Jahre ins Land gegangen und die hoffnungsvollen Erwartungen haben sich vielfach in Luft aufgelöst. Die Inklusion in der Schule wird heute mehr denn je wieder in Frage gestellt, die volle Partizipation und die Beseitigung von Barrieren auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben und für eine einigermaßen funktionierende Chancengleichheit fehlt einfach das Geld!

Statt die Chancengleichheit zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen herzustellen, existiert heute Ungleichgewicht sogar innerhalb der Gruppe der Betroffenen. Die einen erhalten eine Leistung aus dem Oö.ChG, die anderen stehen in Ermangelung finanzieller Mittel seitens des Landes OÖ auf der Warteliste. Zuletzt waren es mehr als 5.000 Personen – oder sind es bereits 6.000? –, die dadurch von einer Leistung ausgeschlossen sind und denen Persönliche Assistenz, individuelles Wohnen, mobile Hilfe oder wichtige Bildungschancen verwehrt werden.
Als 2007 das Oö.ChG beschlossen wurde, wurde versäumt festzustellen, wie groß der Personenkreis sein würde, dem ein Anspruch auf Leistungen aus diesem Gesetz erwächst (von einem „Rechtsanspruch“ kann angesichts der Realität beim Vollzug des Gesetzes keine Rede mehr sein). In den Erläuterungen zum Oö.ChG hieß es damals, es bliebe künftig die „Zahl und Struktur der Leistungsempfänger unverändert“.
Welch eine Fehleinschätzung! Heute stehen wir statt vor der Verwirklichung von Menschenrechten und Chancengleichheit vor einer unhaltbaren Situation zweier Gruppen von Betroffenen: die einen, die „drinnen“ sind und diejenigen, die „draußen“ warten. Wie lange, weiß niemand, auch nicht die, die das Oö.ChG einst mit Vorschusslorbeeren überhäuft haben.

Wann immer ich gefragt werde, wie dieser unhaltbare Zustand einer Warteliste in Bezug auf Leistungen aus dem ChG beendet werden kann, verweise ich auf die geltende UN-Behindertenrechtskonvention. Sie wurde im Nationalrat beschlossen und verpflichtet die Republik Österreich und auch die Länder zur Umsetzung.

In dieser Konvention sind alle Maßnahmen als verpflichtend angeführt, die Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben ermöglichen sollen. In den aktuellen Handlungsempfehlungen des UN-Menschenrechtsbeirats in Genf von 2013 an Österreich heißt es unter anderem: „Das Komitee empfiehlt, dass der Vertragsstaat [Österreich] sicherstellt, dass die Assistenzprogramme ausreichend finanzielle Unterstützung bieten, um zu gewährleisten, dass Menschen in der Gemeinschaft selbstbestimmt leben können.“ Dies gilt es durchzusetzen!

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Gunther Trübswasser ist Vorsitzender von SOS-Menschenrechte und Mitglied der Unabhängigen Monitoringausschüsse des Bundes und des Landes OÖ zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Weitere Informationen | Monitoringausschuss Bund: monitoringausschuss.at
Monitoringausschuss Land OÖ auf: www.land-oberoesterreich.gv.at

Zuletzt geändert am 24.11.14, 00:00 Uhr

Verfasst von Silke Müller

Ein Duett aus Radiofeature-Produktion und Illustrationsausstellung hat mein Kommunikationsdesign und Medienstudium abgeschlossen. Seit dem beschäftige ich mich mit der großen, künstlerischen Radioform "Feature", mit Reportagen und Interviews mit KünstlerInnen und Kulturschaffenden.

Ich bin freischaftende Illustratorin für Plakate - zum Beispiel für Radio FRO - Zeitungen, Magazine, Bücher und Ausstellungen. Radiohören geht beim Zeichnen wunderbar.

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