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Schönen Gruß an die Jajčani

von Veronika Moser ///
Pozdrav Jajčanima! So heißt die Sendung, die jeden 3. Samstag im Monat für 3 Stunden, von 22-01 Uhr, auf Radio FRO zu hören ist. „Pozdrav“ kann man übersetzen mit „schöne Grüße“ und die Jajčani, das sind die Leute aus Jajce, einer Stadt in Zentralbosnien, die rund 28.000 EinwohnerInnen zählt.

Dazu kommen noch über 15.000 Jajčani, die auf der ganzen Welt verstreut leben. „Unsere Sendung ist ein Treffpunkt für sie alle – deshalb ist sie auch Samstag nachts. Das passt für die Leute in Australien – die stehen um diese Zeit gerade auf – genauso wie für die in Amerika – bei denen ist Nachmittag. Und für die Jajčani in Bosnien beziehungsweise in Europa ist es auch gut, denn die können Samstag Nacht ja länger aufbleiben,“ meint Ernisa Beganovič – Radiomacherin, Jajčanerin aus ganzem Herzen und Studentin der Rechtswissenschaften an der JKU Linz.

Wo andere noch mit Puppen spielen
Ernisa Beganovič kam 1992 im Alter von sechs Jahren mit ihrer Familie nach Linz. Mit zwölf wurde sie dann Sendungsmacherin bei FRO. Der Verein, in dem sie tätig war, wollte eine „ungewöhnliche Sektion“ beschreiten und beschloss, eine Radiosendung auf Bosnisch zu machen – Radio Bosna. Nach kurzer Zeit beschloss Ernisa, eine eigene Sendung zu gestalten, woraus „Bošnjački Radio Din“ wurde. „Mit dreizehn Jahren, wo andere noch mit Puppen spielen, habe ich meine eigene Sendung gemacht,“ schmunzelt sie. Das bosnische Wort „Din“ bedeutet übrigens „Seele“. Und Ernisa macht Radio mit Herz und Seele. Radiomachen sei für sie eine andere Art und Weise, sich zu entspannen, und gehöre zum Wochenende dazu. „Ich liebe das. Das ist meine Stunde der Entspannung.“

So ein Familiending
Die Sendung „Pozdrav Jajčanima“ macht Ernisa seit ungefähr zwei Jahren mit ihrem Vater Zijad Plivac zusammen. Auch ihre Mutter Jasminka Plivac hat sich mittlerweile eingeklinkt. „Das ist so ein Familiending geworden, wo alle zusammenarbeiten. Mein Mann hilft auch mit und kommt mit Ideen. Meine Kinder bringen sich beim Jingle-Erstellen mit ein. Das macht Spaß und kommt bei den Leuten auch sehr gut an.“ Dass das Radio große familiäre Bedeutung hat, zeigt auch folgende Geschichte: „Mein Vater hatte in Bošnjački Radio Din einmal einen Studiogast und hat sich so gut mit ihm verstanden, dass er dessen ganze Familie kurzerhand zum Abendessen eingeladen hat. Mit dem Bruder dieses Studiogasts, er kommt aus Mostar, bin ich mittlerweile verheiratet. Also habe ich meinen Mann eigentlich über Radio FRO kennengelernt.“ Nichtsdestotrotz ist ist Pozdrav Jajčanima keineswegs nur eine Familiensendung, es gibt noch viel mehr Menschen, die sich aktiv beteiligen – vor allem Menschen, die in Jajce leben. „Es wäre unfair, nur uns drei als SendungsmacherInnen anzuführen! Es gibt Leute in Jajce, die Flyer machen und verteilen. Eine Frau aus Jajce gestaltet die Poesie-Rubrik. Viele Leute schicken uns Texte und Nachrichten…“

Eine Sendung auf Online-Basis
Pozdrav Jajčanima ist eine Sendung auf Online-Basis. Zunächst einmal, weil die meisten HörerInnen die Sendung nicht terrestrisch auf 105.0 im Großraum Linz empfangen können; Aus Jajce und der ganzen Welt wird die Sendung via Live-Stream gehört. „Manchmal passiert es, dass wir so viele Zugriffe haben, dass der Stream überlastet ist. Dann schreiben uns die Leute verzweifelt, hey, wir kommen nicht rein!“ Bei jeder Sendung besteht nämlich die Möglichkeit, live mit dem Radiostudio in Linz zu interagieren. Zijad und Jasminka Plivac arbeiten da perfekt zusammen: „Während mein Vater am Mikrofon sitzt, chattet meine Mutter mit den Leuten.“ Die HörerInnen posten Musikwünsche auf Facebook oder schicken Kommentare und Glückwünsche, und alle Nachrichten werden in den Sendungen vorgelesen, quasi in Echtzeit. Normalerweise sind die Nachrichten in bosnischer Sprache verfasst. Aber es gibt auch Ausnahmen: „Wir haben eine Hörerin in Wien, die mit einem Jajčan verheiratet ist. Wenn sie uns schreibt, wird das natürlich auf Deutsch vorgelesen.“

Wir meiden das Politische
„Pozdrav Jajčanima“ ist ein Mix aus Musik und Talk. Musikalisch geht es bunt zu – das liegt wohl an den vielen Musikwünschen und daran, dass die Sendung generationenübergreifend gehört und gestaltet wird. Inhaltlich wird vor allem diskutiert, was in Jajce und Linz so passiert; außerdem werden humanitäre Spendenaktionen lanciert, etwa, um Geld für Menschen in Jajce zu sammeln, die teure Operationen brauchen. Politische Themen werden vermieden: „Wir meiden das Politische. Unsere Sendung ist für alle Jajčani, da ist es völlig egal, ob sie bosnische Kroaten oder Serben oder Bosnier sind.“ Die Sendung leiste einen wichtigen Beitrag zum Klima in der Stadt. „In den bosnischen Medien ist ständig die Rede von Gedenkfeiern und so weiter, aber man muss das den Leuten nicht jeden Tag reindrücken! Die Leute wollen zur Ruhe kommen. Sie haben das verdient. Zumindest drei Stunden im Monat solln's a Gaudi ham!“

www.facebook.com/RadioEmisija
www.jajce-grad-muzej.com

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Veronika Moser ist Projektentwicklerin bei Radio FRO und große Bosnienliebhaberin. Als solche möchte sie zusammen mit Ernisa Beganovič im Sommer 2014 eine FRO-Radioreise nach Jajce organisieren, wer will mitkommen?

Zuletzt geändert am 29.05.13, 00:00 Uhr

Verfasst von Silke Müller

Ein Duett aus Radiofeature-Produktion und Illustrationsausstellung hat mein Kommunikationsdesign und Medienstudium abgeschlossen. Seit dem beschäftige ich mich mit der großen, künstlerischen Radioform "Feature", mit Reportagen und Interviews mit KünstlerInnen und Kulturschaffenden.

Ich bin freischaftende Illustratorin für Plakate - zum Beispiel für Radio FRO - Zeitungen, Magazine, Bücher und Ausstellungen. Radiohören geht beim Zeichnen wunderbar.

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