Ja, das brauchen wir heute umso mehr. Persönliche Zugänge zu 10 Jahre Radio FRO

Ja, ich höre noch Radio FRO. Nicht regelmäßig, nicht ständig, aber regelmäßig selektiv. Gäbe es keine Email-Reminder, würde ich es wohl manchmal aus dem Blick verlieren... Von Andrea Mayer - Edoloeyi

Das CBA ist für mich ein tolles, frei zugängliches Archiv von Sendungen – ich kann suchen und hören, wann immer ich etwas brauche. Noch immer ist der persönliche Bezug wichtig, wenn ich jemanden kenne, wenn ich etwas von jemandem kenne, so schürt das mein Interesse – und dabei stoße ich dann doch immer wieder auf etwas Neues.

Ja, ich war damals dabei bei Radio FRO ganz am Anfang, 1995, 1996, 1997, damals, als es noch kein Regionalradiogesetz und keine Frequenz gab, sondern „nur“ eine Pressure-Group für die Schaffung eines Freien Radios in Linz. Alex Barasits und Georg Ritter hatten sich gefunden und rund um sie eine Gruppe von RadiomacherInnen, die sich in die Faszination der Idee Freies Radio hineinziehen ließen. Viel war damals noch offen, zentral aber der Kampf um zumindest ein bisserl Berücksichtigung im neuen Gesetz, damit die Idee, legal auch terrestrisch senden zu können, Realität werden konnte. Das ist gelungen und letztlich ist es gelungen, eine Frequenz zu ergattern und zu senden. Manch eine/r fragte, „Können die das?“, „Braucht das wer?“, und so ging es auch darum Fakten zu schaffen. Zuerst mit Workshops, später dann mit 24 Stunden Radio im Internet. Mit einem romantischen Blick erinnere ich mich an meinen ersten Radioworkshop: Manfred Wollner zeigte uns analoge Aufnahmegeräte mit echten Bändern – Schneiden heißt da, das Band zusammenkleben! Daneben standen dann aber auch schon die Computer für den digitalen Schnitt und es war klar, dass das sich durchsetzen wird. Aber trotzdem werde ich diesen Ausflug in ein noch viel sinnlicheres, haptischeres Radiomachen nicht vergessen – denn das Angreifen fördert auch das Begreifen der Gestaltungs- und auch Manipulationsmöglichkeiten.

Ja, ich denke noch immer, dass es beim Freien Radio primär ums Machen geht. Klar ist es schön, wenn das möglichst viele Interessierte hören, aber zentral ist das Machen: Im Machen, im Tätigsein verändert sich die Wahrnehmung der Medienwelt, ja, verändern sich die ganze Wahrnehmung der eigenen Autonomie und Interdependenz in dieser Welt. So war das auch bei mir, übers Freie Radio habe ich gelernt emanzipative Gesellschaftstheorie ganz praktisch zu denken: Es geht nicht nur darum darüber zu reden, wie wir uns die Welt um uns wünschen, sondern auch darum, damit hier und heute anzufangen. Nicht idealisierend, nicht romantisierend (auch wenn so kleine Ausflüge wie oben geschildert wirklich nett sind!), nicht auf einer „Insel“ – aber doch antizipierend wie es sein könnte, wenn es anders wäre, als es ist. Freie Medienarbeit, aber auch generell freie, initiative Kulturarbeit bietet ein Feld Demokratie spürbar zu machen: in der internen Organisation, im konkreten politischen Handeln.

Ja, ich würde manches anders machen, wenn ich die ChefIn wäre. „ChefIn“ reizt zur Rückfrage, irgendwo gab es da mal einen Slogan „Radio ohne ChefIn“. Ja, es geht um Radiomachen ohne inhaltliche Vorgaben an die MacherInnen, es geht um Raum für Selbstartikulation der MacherInnen. Dabei um ein Maximum an Offenheit und Freiheit – ohne dabei zu übersehen, dass es immer wieder welche geben wird, die diese Offenheit und Freiheit nutzen, um Propaganda für Ziele zu machen, die der Offenheit und Freiheit, demokratischen Grundwerten entgegenwirken. Das gab es damals am Beginn, das gibt es heute. Heute ist wohl das Regelwerk besser, wie damit umgegangen wird, doch die Spannung wird bleiben. Gut so – sonst würde es wohl einmal unspannend werden und sich Freies Radio erübrigen. Widerspruch braucht es. „ChefIn“ beinhaltet aber auch den Aspekt, wie ist das Ganze organisiert. Da bin ich nur noch Beobachterin von außen und bekomme selektiv etwas mit. Was mir bleibend auffällt ist, dass die Selbstausbeutung und der seitens der Organisation an die MitarbeiterInnen herangetragene Anspruch an Selbstausbeutung seit der Pionierzeit kaum besser geworden ist. Miese Löhne, unbezahlte Überstunden und ein Arbeitsplatz mit soviel Störungen, dass man/frau überlegen muss, ob es nicht besser ist, das Projektkonzept zu Hause zu schreiben, gibt es noch immer. Das hat klarerweise externe Ursachen, klarerweise haben die Freien Radios noch immer zu wenig Geld. Aber es ist auch eine Frage der internen Mentalität, der internen Prioritätensetzung. Ich denke, dass wir nicht nur prekäre Arbeitsverhältnisse und den neoliberalen Druck kritisieren sollten, sondern auch dort, wo wir Gestaltungsmacht haben, versuchen müssen gegenzusteuern. Da redet niemand davon, dass wer reich wird, weit entfernt, sondern oftmals eben nur von bezahlten Überstunden, geregeltem Urlaub und Jobs, die es auch möglich machen, jeden Monat die Miete zu bezahlen. Da würde ich als „ChefIn“ bei Radio FRO einiges anders machen: Klar wünschen wir uns, dass auch die Produktion von Radiosendungen wenigstens irgendwie bezahlt werden kann, aber wäre es nicht mal ein Anfang, diejenigen, die dafür sorgen, dass der Betrieb an sich läuft, es Technik, Koordination, Webseite, Finanzadminstration etc. gibt, so als MitarbeiterInnen wertzuschätzen, dass sie vielleicht mal länger als 1 ½ bis 2 Jahre bleiben?

Ja, mich fasziniert die Idee Freies Radio noch immer. Ich denke, dass terrestrisches Radio noch lange nicht obsolet ist. Nicht alles wird sich im Multimedia-Einheitsbrei auflösen. Radio FRO wird sich weiterentwickeln und ich hoffe, dass sich der Trend, dass immer mehr Freie Radios auch im ländlichen Raum entstehen, fortsetzen wird. Freie Radios sind lokale und regionale Identifikationspunkte, sind Bühne für Kunst und Kultur, sind Forum politischer und sozialer Themen, sind öffentlicher Raum. Sie verschieben gesellschaftliche Machtgefüge, vielleicht nur ein bisschen – aber dieses bisschen macht sichtbar, was Ernst Bloch mit dem „Prinzip Hoffnung“ gemeint hat. Das brauchen wir heute umso mehr.

Andrea Mayer-Edoloeyi, Kulturarbeiterin und Erwachsenenbildnerin. Immer wenn mich jemand fragt, wie ich zur Kulturarbeit gekommen bin, sage ich: „Übers Freie Radio …“

Zuletzt geändert am 06.07.08, 00:00 Uhr

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